Die  Wirtschaftswunderfrau

„Vorbild ganzer Generationen!
Ohne Aenne Burda würde es heute keine burda
style geben. Mit Burda Moden brachte sie in der Nachkriegszeit die Mode zum Selbernähen in die deutschen Haushalte. Dank Ihrer Zeitschrift wurde es jedem möglich, schicke, modische Kleidung nach den Pariser Modeschauen selbst zu nähen und zu tragen. Sie traf den Nerv der Zeit – das Geld für Mode und Schönheit war knapp, das burda Nähjournal erfüllte die Träume von Millionen Frauen.“

www.burdastyle.de
Aenne Burda.
1909 wird Anna Lemminger in Offenburg als Tochter einer armen Familie geboren. Schon als Kind ist sie sehr aufgeweckt und frech und die Mutter prophezeit ihr: „Mit dir wird es noch böse enden“, der Ehemann nennt sie später trotz ihres feurigen Temperaments „Engele“. Doch sie lässt sich nicht beirren, macht eine kaufmännische Ausbildung und heiratet 1931 den Druckersohn Dr. Franz Burda. Sie bekommt drei Söhne. Als der Nationalsozialismus ausbricht, kann sie den Führer auf Anhieb nicht leiden, doch ihr Mann profitiert von den Beziehungen zu den Nationalsozialisten beruflich. Der Verlag übersteht den Krieg unbeschadet und die französischen Alliierten lassen bei Burda drucken.
1938 bringt auch die Geliebte ihres Mannes ein Kind zur Welt, doch Anna lässt sich nichts anmerken. Sie beginnt daraufhin eine Affäre mit dem französischen Presseoffizier im Verlag ihres Mannes. Er betreut in Paris ein Modemagazin und schlägt Anna Burda vor, zusammen mit der Druckerei ihres Mannes, ein solches Magazin in Nachkriegsdeutschland erscheinen zu lassen. Franz Burda findet die Idee gut, doch realisiert er diese heimlich mit der Geliebten, unter deren Leitung ab 1947 das Modemagazin „Breuer Moden“ -  benannt nach ihr - erscheint. Als Anna Burda davon erfährt ist sie rasend, droht sogar mit Scheidung, bis ihr Franz Burda das Magazin überlässt. Aenne Burda, wie sie sich von nun an nennen lässt, nach ihrem Lieblingslied „Ännchen von Tharau“, ist nun Verlegerin und alleinige Inhaberin des im Handelsregister verzeichneten Modeverlags Aenne Burda in Lahr. Sie übernimmt den verschuldeten Verlag samt Mitarbeiter von der gegenüberwohnenden Konkurrentin und geht ehrgeizig an die Arbeit. Im Gegensatz zur ihr fragt sich Aenne Burda was die Leserinnen wollen, die durch die Bilder des „New Looks“ von Dior aus Paris zu träumen beginnen und sich nach der grauen Kriegszeit mit schlimmen Entbehrungen wieder schön und begehrenswert fühlen wollen. So entsteht die Idee zu den berühmten Schnittmustern zum selbst nähen. Sie erkennt, dass sie für die Umsetzung treue und kompetente Mitarbeiter braucht, stellt eine Schneiderin ein und wirbt ihrem Mann in Offenburg auch den talentierten Grafiker Oswald Moser ab. Dieser hat dann auch die Idee zum Patent des heute noch benutzen Kopierrädchens, mit denen die Schnitte vom Bogen auf Schnittpapier kopiert werden können. 1950 erscheint die erste Ausgabe unter dem Titel „Burda Moden“. Aenne Burda wird damit den Namen ihres Mannes unvergesslich machen. Sogar Karl Lagerfeld zollt ihr später seinen Respekt.
Mit ihren Anleitungen und Schnittmustern will sie den deutschen Nachkriegsfrauen wieder modisches Selbstbewusstsein verleihen. Aenne Burda reist zu Modeschauen in Berlin, Paris und Zürich. Dort werden entweder Teile gekauft oder von einem Fotografen abfotografiert. Zurück in Lahr nimmt die Schneiderin dann den Schnitt ab, näht ein Sample aus Nessel oder steckt es aus Papier an die Schneiderpuppe, bis dann schlussendlich alle Schnittteile auf den großen Schnittmusterbogen kommen, der jedem Magazin beiliegt.
1951 zieht sie mit dem Verlag in ihre Heimatstadt Offenburg, mit der Redaktion sogar direkt ins neu gebaute Haus und ist nun endlich wieder näher bei ihrer Familie, die sie durch lange Arbeitstage kaum noch sieht. Die erste Auflage hat 100.000 Magazine, 10 Jahre später sind es in ganz Europa 1,5 Millionen. 1952 folgen Einzelschnittmuster, die 1980 sogar eine Auflage von 10 Millionen erreichen. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Die Schnitte passen den Leserinnen wie angegossen. Dafür sorgt Aenne Burda, in dem sie unzählige Offenburger Frauen vermisst und in verschiedenen Instituten Auskünfte über Damenmaße einholt. Daraus werden dann Durchschnittsgrößen errechnet - eine Revolution!
Aenne Burda hat Erfolg und die Presse nennt sie nur noch die „Wirtschaftswunderfrau“. Konkurrenzmagazine kauft sie einfach auf. Durch stetig wachsende Mitarbeiterzahlen beschließt sie den Bau eines riesigen Verlagsgebäudes in Offenburg. Neben „Burda Moden“ entstehen weitere erfolgreiche Zeitschriften wie „Burda International“, „Burda Maskerade“, „Bunte Rezeptheft“, Einzelschnittmuster und zahlreiche Sonderhefte. Knapp 30 Jahre lang gibt es auch eine Versuchsküche und ein Küchenteam auf dem Gelände, welches Rezepte und Fotos für das „Burda Bunte Bild-Rezepte“-Magazin kredenzt. Dort entstehen auch Burda-Kochbücher, sowie Rezepte, Fotos und Kochbücher für externe Firmen. 1968 beginnt Aenne Burda auch selbst für ihr Magazin Leitartikel und Kolumnen zu schreiben. „Carina“ wird das neue Magazin für junge Frauen. 1974 wird „Burda Moden“ um ein weiteres Gebäude vergrößert und es kommen neue Mitarbeiter hinzu. Die 65-jährige denkt nicht an den Ruhestand und investiert die zeitweise 22 Millionen D-Mark Reingewinn pro Jahr sinnvoll in weitere Expansion. Es entstehen bis zu 3.000 neue Schnitte pro Jahr.
Sie ist eine faire Chefin, viele Mitarbeiter bleiben ihr bis zur Rente treu, doch sie neigt auch zu vulkanischen Wutausbrüchen und verlangt viel. Trotzdem gibt sie auch selbst viel und veranstaltet regelmäßig Feste und den berühmten Fastnachtsball für die Mitarbeiter.
Dreißig Jahre lang hat sie eine offizielle Affäre und auch ein Zweithaus in Taormina auf Sizilien mit einem Sizilianer, die von ihrem Ehemann gebilligt werden musste, da auch er eine Zweitfamilie hatte. Doch Franz und Aenne Burda sind ein starkes Unternehmerpaar, streiten zwar viel, doch leben in einer harmonischen Symbiose bis zu seinem Tod 1986. Sie nehmen rege Teil am gesellschaftlichen Leben der Schönen und Reichen und bauen sich auch einen Zweitwohnsitz bei Salzburg. In ihrer Heimatstadt spendet sie viel für Altenheime und gründet Stiftungen. Außerdem erhält sie viele Auszeichnungen wie das Bundesverdienstkreuz 1974.
Auch wenn sie sich später langsam aus dem Verlag zurückzieht und anderen die Zügel überlässt, überschreibt sie erst mit 84 Jahren ihrem Sohn Hubert Burda den Verlag. Doch ohne Arbeit ist ihr langweilig, sie fühlt sich nutzlos und versteht die Gesellschaft und ihre Mode nicht mehr. Sie widmet sich im Alter ihrer wachsenden Familie und genießt die Zeit mit Enkeln und Urenkeln bis sie 2005 96-jährig stirbt.
Aenne Burda heute.
Aenne Burda ist eine selbstbewusste Frau, doch Emanzipation war das in ihren Augen nicht. Ihr starkes Durchsetzungsvermögen, mit ihrer Menschenkenntnis und ihrer charmanten Art war eine Kombination, die zum weltweiten Erfolg führte. Die „Burda Style“ wie das Magazin heute heißt, kann man in vielen Ländern in verschiedenen Sprachen finden. Der Verlag ist immer noch erfolgreich und hält ihr Erbe hoch und ist auch im Ausland angesehen.
Von der „Welt am Sonntag“ wird sie im Jahre 1979 sogar noch vor Hildegard Knef als erfolgreichste Frau der Bundesrepublik beschrieben. Trotzdem ist Aenne Burda unter vielen Menschen außerhalb der Region Offenburg und vor allem bei den jüngeren Generationen weitgehend unbekannt, obwohl viele ihr Magazin kennen. Sie hat im Gegensatz zu ihrem Mann (ca. 6.740.000 Google Einträge, Stand: 11.04.2019) nur ca. 661.000 Einträge bei Google (Stand: 11.04.2019) und wurde erst durch den im Dezember 2018 gesendeten zweiteiligen Fernsehfilm im ARD wieder bekannter.
Schnittmusterkönigin
Schnittmusterkönigin
Das Magazin
Das Magazin
Mode für alle!
Mode für alle!
Foto Ellinor Amini
Foto Ellinor Amini
Foto Simon Sarfati
Foto Simon Sarfati
Quellen.
Dahmen, Ute: Aenne Burda. Wunder sind machbar. Ottersweier: 2009.

Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau Teil 1+2. D 2018.

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