Marie Nejar
Die, die sich selbst benennt
zwischen blicken
von Chiara Josephine Vössing-Guth*
sichtbar gemacht,
doch
nie wirklich gesehen.
entmenschlicht im glanz,

ein
fremder
blick,

der sie formte wie ton.
unsichtbar, 
um nicht zu verschwinden,

doch ausgestellt:
ein körper,
ein zeichen.
als wesen
fremd
anders
verlockend
sprach sie worte,

die nicht die ihren waren.
ein gesicht für sehnsucht,

für staunen, 
das sticht.
bewunderung,

die wie kälte bricht.
fremdbild und selbstbild –

kein einklang,
nur risse.
eine stimme,
geboren im sprung,
steigt auf
aus dem spröden ton –
und nennt
sich
selbst.
sie spricht
von
traurigen augen,

von 
rollen, zu eng.
sie spricht
durch
scherben und staub.
ein klang,
eine kraft
die sich
selbst
erschafft.

* Dieses Gedicht wurde von einer weißen Autorin verfasst, im Bewusstsein darüber, dass es nicht um Aneignung, sondern um Sichtbarmachung, Annäherung und Respekt geht. Dieses Gedicht ist ein Versuch, Resonanz zu entfalten - nicht Stimme zu nehmen oder zu übertönen.
Biografie
von Chiara Vössing-Guth
Marie Nejar wurde 1930 in Mülheim an der Ruhr geboren und wuchs als Schwarzes Kind im nationalsozialistischen Deutschland unter systematischer Ausgrenzung und rassistischer Fremdzuschreibung auf. Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie als Jugendliche in kolonialistischen Statistinnenrollen in UFA-Filmen eingesetzt. Nach dem Krieg war sie als Schauspielerin und Sängerin tätig, bevor sie sich später bewusst von diesen Rollen distanzierte und ihre Lebensgeschichte als Autorin selbst aufarbeitete. Ihre Autobiografie zeugt von Diskriminierung und Anpassungsdruck, aber auch von Selbstbestimmung, Stärke und dem Wunsch, das eigene Bild zurückzugewinnen.

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